„Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden“ (Hermann Hesse).
Im 15. Jahrhundert versuchte Leonardo da Vinci das damals Unmögliche zu denken und entwarf Pläne für z. B. Flugmaschinen, Automaten und Roboter – Dinge, die erst Jahrhunderte später realisiert wurden.
Besteht in Europa heute die Bereitschaft, das Unmögliche zu denken, damit es möglich wird? Die Notwendigkeit dazu ist gegeben: Krisen, Kriege und Katastrophen machen es dringend notwendig, dass kreative Denkprozesse gefordert und gefördert werden, damit komplexe Probleme gelöst werden können. Corporate Intellectual Property, international vernetzte Thinktanks und Knowledge Pools mit Datenbanken und digitalen Plattformen, Wenn-Dann-Funktionsprozesse auf Meta-Ebene sind nur einige der damit verbundenen Stichworte.
EU: Neue Horizonte
„Horizon Europe 22 – 27“ ist ein ambitioniertes Programm der EU. Im Rahmen des European Innovation Council sollen Wissenschaft und Technologie gestärkt werden, was letztlich durch Forschungsförderungen zu einer weltmarktkompetitiven Stellung unter Berücksichtigung des Klimaschutzes führen soll.
Dieses EU-weite Forschungs- und Innovationsprogramm ist mit 95 Milliarden Euro dotiert. Das ist angesichts der Notwendigkeit, Zukunft neu zu denken und – auch im Hinblick auf Umweltschutz – möglichst krisenfest zu gestalten, ein Tropfen auf dem heißen Stein. Als Vergleichswert seien rund 400 Milliarden Euro der europäischen Nato-Staaten für Militärausgaben genannt. Zu „Horizon Europe“ trägt jeder EU-Bürger im Schnitt pro Tag etwa 59 Cent bei. Um im Bereich Forschung und Innovation wirklich zukunftstaugliche Lösungen zu entwickeln, benötigt es wohl mindestens den zehnfachen Betrag. Dazu muss noch ein Paradigmenwechsel kommen, der schon bei Volksschulkindern beginnt, denn diese sind in dreißig Jahren die Entscheider. Sie müssen motiviert werden, nicht auf Hilfe von außen zu warten, sondern selbst aktiv zu werden.
Spielerische, problemlösungsorientierte Schulunterrichtsformen, Stärkung von universitären und außeruniversitären Forschungsaktivitäten durch Steuerbegünstigungen, Wahl von Politikern, die sich nicht scheuen, unpopuläre Entscheidungen zu treffen und einen weitgesteckten Zeithorizont haben, sind das Gebot der Stunde. Große Teile der heutigen Gesellschaft sind hilflos, wenn es darum geht, Herausforderungen konstruktiv zu begegnen. Ein kürzlicher Tweet lautete „Wer hasst diese Regierung so wie ich?“ und viele kommentierten das mit Hinweisen, dass ihr Hass noch größer sei. Nur wenige Beiträge lauteten in etwa „Geh in die Politik und mach es selbst besser“.
Gestörte Lieferketten
Es herrscht weltweite Unsicherheit: schon 2015 haben Störungen in den lokalen Lieferketten in Europa Kosten von rund 50 Milliarden Euro verursacht. Mittlerweile haben sich die ökonomischen Turbulenzen durch Handelsbeschränkungen und Protektionismus, verursacht u. a. durch die zunehmende geopolitische Instabilität, z. B. durch Auswirkungen des verabscheuungswürdigen Überfalls Russlands auf die Ukraine, weiters auch durch die Klimakrise und durch Corona sowie Streiks im Transportgewerbe infolge der Inflation, verstärkt und es ist nunmehr mit einem Vielfachen der vorgenannten Summe pro Jahr zu rechnen.
Wie sich auch nur ein Faktor auswirkt, zeigen explodierende Containerraten infolge von Corona: diese haben sich seit dem Beginn der Pandemie bis dato zeitweise verzehnfacht, teilweise verursacht durch Containerknappheit und infolge von Nachziehtransporten wegen z. B. temporärer Schließung von chinesischen Megahäfen. Die anhaltend hohen Containerraten werden sich hinkünftig wahrscheinlich auch in der Verschiebung von Warenströmen auswirken, denn was an niedrigpreisigen Gütern vor Corona billig in China produziert wurde, könnte nunmehr bei Wegfall der hohen Transportkosten möglicherweise billiger in Europa erzeugt werden, natürlich unter der Voraussetzung vorhandener Rohstoffressourcen. Auch – ohnehin umweltschädigende – Veredelungstransporte könnten abnehmen.
Durch die gestörten Lieferketten kommt es auch verstärkt dazu, dass JIT-Lieferungen oft nicht zeitgerecht erfolgen können, sodass es vermehrt zu Produktionsausfällen und dadurch zu finanziellen Verlusten kommt. Manche Betriebe planen bereits, leerstehende Lagerfazilitäten wieder zu aktivieren bzw. neue zu bauen, um hinkünftig genügend Rohstoffe zur Verarbeitung vorrätig zu haben.
Technologien der Zukunft
Auf all diese Turbulenzen gilt es zu reagieren, wobei Möglichkeiten etablierter Instrumente bestmöglich ausgeschöpft werden müssen: RPA, IOT, Analytics und digitale Kollaboration. Manager müssen am Puls der Zeit sein und in einem weiteren Schritt implementieren, was gerade verstärkt entwickelt wird: im digitalen bzw. techn(olog)ischen Bereich z. B. durch Blockchains und andere Open Sources, durch Smart Logistics und durch das Physical Internet, Drohnen, vernetzte Fahrzeuge und den verstärkten Einsatz von selbstfahrenden Automaten, wie es, um nur zwei Beispiele zu nennen, Van- und Straddle Carrier auf Hafengeländen sind. Key decision-maker sind auch gefordert, sich – siehe Leonardo da Vinci – schon heute mit Transporttechnologien der Zukunft zu beschäftigen, z.B. mit Platooning, Hyperlooping etc.
Transkontinentale Infrastrukturnetze
Die VR China und andere Staaten sowie institutionelle Investoren haben hohe Summen in die „Neue Seidenstraße“ – Landwege („Silk Road Economic Belt“) und Seewege („Maritime Silk -Road“) – gesteckt, die interkontinentale Handels- und Infrastrukturnetze zwischen der VR China und zahlreichen Ländern Asiens, Afrikas und Europas entstehen lässt. Das Gesamtprojekt im geplanten Endstadium hat Auswirkungen auf mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung und etwa 40% des globalen Handels.
Wie rasant die Entwicklung seit dem Start des Projektes vor 10 Jahren von statten geht, zeigt sich an einem kleinskaligem Beispiel im Bereich Landtransporte, dem weitaus kleineren Teil der „New Silk Road“: 2013 fuhren 80 Containerzüge der China Railway Express Co. nach Europa, 2020 waren es bereits 12.400.
China investiert auch massiv in europäische Verkehrsinfrastruktur, insbesondere in Südhäfen, wie z. B. Piräus und Triest, die den Vorteil kürzerer Reisezeiten gegenüber Nordseehäfen bieten. Nicht zuletzt wegen der geopolitischen Verwerfungen wird die Warnung lauter, sich – auch angesichts des abschreckenden Beispiels Russland und der damit auch verbundenen Verkehrskomplikationen – nicht zu sehr von China abhängig zu machen. Kritik wird aber auch daran geäußert, dass die finanziell unterstützten Länder und Kommunen in eine Schuldenfalle gelangen könnten (Stichwort: „Albanochina“). Auch beunruhigt die EU, dass durch bilaterale Abkommen zwischen China und europäischen Ländern eine Spaltung der EU vorangetrieben werden könnte.
Was liegt angesichts all der Problemfelder näher, als dass sich Europa wieder mehr auf sich selbst besinnt? Mittel- und langfristig könnte Nearshoring anstatt Offshoring ein Lösungsansatz sein: trotz aller unterschiedlichen Anschauungen in den einzelnen Ländern zu bestimmten Themen bietet Europa doch unleugbare Vorteile gegenüber Staaten auf anderen Kontinenten: weniger kulturelle und berufsethische Unterschiede;
leichtere Steuerbarkeit von Kooperationen wegen räumlicher Nähe; geringer Zeitzonenunterschied; kürzere Reisewege etc.
Transeuropäische Netze (TEN) zur schnelleren Entwicklung und stärkeren Ausprägung des europäischen Binnenmarktes sind ein wichtiger Beitrag der EU zum wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt. Infrastrukturvereinheitlichungen bei Verkehrssystemen („TEN-T“) sowie bei Energie und Telekommunikation sind die Treiber dafür. Was TEN-T betrifft, so geht es um den Ausbau grenzüberschreitender Verbindungen, die Beseitigung von Schwachstellen innerhalb nationaler Netze, die Kombination von Verkehrsträgern und insbesondere in den letzten Jahren auch um verstärkte Umweltverträglichkeit all dieser Bestrebungen. Das angesichts der weltpolitischen (Wirtschafts)lage notwendige Vorantreiben der TEN im Sinne von leistungsfähigen und gut vernetzten, möglichst umweltfreundlichen Infrastrukturen ist heute mehr denn je von zentraler Bedeutung für Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand in den Ländern der EU und wird dazu dienen, weniger abhängig von Ländern zu werden, die Menschenrechte mit Füßen treten, einen anderen Wertekanon in ihrer Wirtschaftsethik haben und keinen Bedacht auf Umweltschutz legen. D. h. jedoch, die Globalisierung nicht um jeden Preis weiter voranzutreiben, sondern auf gesundes europäisches Wirtschaftswachstum und -stabilität zu achten.
Gamechanger 3D Druck?
Auch 3D-Druck könnte zu einem echten Gamechanger werden. Heutzutage werden nicht nur medizinische Prothesen, Spielzeug, Schuhe, Bekleidungsstücke etc. 3D-gedruckt, sondern auch schon Autos. Der 3D-Druck ist für große Automobilkonzerne eine interessante Technologie, da PKW in großen Stückzahlen vom Band produziert werden. Karosserie, aber auch viele technische Einzelteile können im 3D-Druck erzeugt werden. Erst kürzlich wurde mit dem Mercedes Vision EQXX ein Elektrofahrzeug vorgestellt, das über zahlreiche im 3D-Druck hergestellte Bauteile verfügt. Die Vorteile des 3D-Druckes liegen auf der Hand, so z. B. – wenn die Rohmaterialien vorhanden sind – entfällt die Notwendigkeit große vorgefertigte Teile über weite Stecken zu transportieren, was umweltfreundlich ist, Kosteneinsparungen nach sich zieht und Produktionszeiten verkürzen kann.
Zusammenfassend: die sich rasant verändernde geopolitische Lage, die Klimakrise, Corona und viele andere Faktoren machen es notwendig, die Welt und damit auch Europa neu zu denken. Neue Technologien sind zum Teil Ursache, zum Teil Folge der rasanten Umwälzungen, die gerade stattfinden und die uns noch bevorstehen.
Neue Risiken absichern
Manch bestehende Risiken werden dadurch in den Hintergrund treten und dafür neue, oft noch unbekannte und überraschende werden entstehen. Die Absicherung dieser Risiken wird essentiell für das wirtschaftliche Überleben von Betrieben werden. Dafür gibt es nur eine wirklich gute Lösung, nämlich einen Versicherungsmakler, der heute schon das Unmögliche denkt, das in Zukunft möglich sein wird: GrECo – matter of trust!

Otmar Tuma
Advisor Transportation & Logistics
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