Warum Versicherer die Vergangenheit teilweise ausblenden sollten und vorausschauende Unternehmen die Zukunft am besten selbst in die Hand nehmen. Denn eines ist sicher: Risikomanagement ist heute gefragter denn je.
Wenn Versicherer entscheiden, ob sie bestimmte Risiken übernehmen bzw. versichern, schauen sie insbesondere auf die Schadenerfahrungen der Vergangenheit. So sind die ersten Versicherungen vor hunderten von Jahren entstanden – und dieses Grundprinzip gilt bis heute.
Bei den jährlichen Erneuerungsverhandlungen rufen die Versicherer immer die Schadenhistorie eines Klienten
ab und lassen sie in ihre Angebote einfließen. Wenn ein Versicherer aus einer gewissen Branche oder Versicherungssparte aussteigt, dann meistens, weil er negative Schadenerfahrungen in der Vergangenheit gemacht hat und kein Geld verdienen konnte. Auch die geforderten Risikoverbesserungs-Maßnahmen sind immer wieder aus Schadenerfahrungen der Vergangenheit entstanden.
In Phasen, in denen sich Risiken langsam und stetig entwickeln, funktioniert das grundsätzliche Prinzip der
Vergangenheitsbetrachtung ganz gut, denn die Versicherer können sich darauf einstellen und haben durch eine
gewisse „Vorsorge“ in ihren Kalkulationen ihre Konditionen bereits eingepreist.
Was allerdings, wenn sich die Risikolandschaft urplötzlich und rapide verändert oder sogar ganz
neue Risiken entstehen?
Was die Versicherer dann tun, konnte man unter anderem erst kürzlich am Beispiel der Cyberversicherung
beobachten. Durch die Pandemie hat die Digitalisierung einen rasanten Schub erhalten und mit ihr die
Veränderung des Cyberrisikos. Die Folge: massive Preiserhöhungen, starke Reduktionen der Kapazitäten, hohe
Selbstbehalte und sehr aufwendige Risikodialoge mit etlichen Forderungen. Einige Unternehmen bekamen
überhaupt kein Angebot für eine Cyberversicherung und manch ein Versicherer hinterfragte öffentlich die Zukunft dieses Produkts. Das an den Tag gelegte Verhalten wirkte teilweise nahezu panisch.
Ob diese radikalen Maßnahmen auch so gekommen wären, hätte es die Pandemie nicht gegeben, darf stark bezweifelt werden, denn das Cyberrisiko hat sich auch schon vor Beginn der Pandemie stetig erhöht
und war zudem ein Kumulrisiko.
Warum aber sollten die Versicherer in solchen Fällen die Vergangenheit ein Stück weit ausblenden?
Ganz einfach: so schnell wie sich die Risken ändern und die Versicherer reagieren, tun das auch die Unternehmen. Wenn sie ein Unternehmen fragen, ob es lieber „keinen Schaden“ oder „einen komplett versicherten Schaden“ bevorzugt, dann wird die Antwort in 99 % der Fälle „kein Schaden“ sein. Daher haben
die Unternehmen in den letzten Monaten auch angefangen, massiv in Cybersicherheit zu investieren. Spätestens jetzt ist das Thema in allen Managementebenen sehr präsent und die Risikoqualität hat sich stark verbessert.
Leider tun sich insbesondere international agierende Versicherungskonzerne mit einer moderaten
Herangehensweise schwer, da sie bei Schadenereignissen gleich global getroffen werden und meistens sofort
(und eben etwas panisch) Gegenmaßnahmen ergreifen, die für das individuelle Industrieunternehmen oftmals viel zu überzogen sind. Gerade aber die Industrieversicherung sollte die Volatilität teilweise ausgleichen.
Versicherer tun daher gut daran, Ruhe zu bewahren, die Unternehmen zu begleiten und die Anpassungen an die Risikolandschaft moderat mitzugestalten. Das bringt Vertrauen – und am Ende auch treue Kunden.
Risikomanagement 4.0 ist gefragt
Unternehmen sollten sich aber nicht nur auf die Industrieversicherer verlassen, denn manche, bis dato versicherbare Risiken, könnte das gleiche Schicksal wie die Cyberversicherung ereilen. Man denke z. B. nur an den Klimawandel und die Naturkatastrophen-Deckungen. Zudem gibt es viele – teilweise neue – Risken, für die es gar keine Versicherung gibt, und die sich rasant ändern.
Industrieunternehmen müssen sich daher intensiv mit ihren Zukunftsrisiken auseinandersetzen, ihr eigenes
Risikomanagement stärken und im Unternehmen entsprechend hoch ansiedeln. Und damit ist nicht einfach
nur die Umsetzung von geforderten Risikoverbesserungs-Maßnahmen der Versicherer gemeint, was mittlerweile sehr inflationär von nahezu allen Marktteilnehmern propagiert wird und lediglich Vergangenheitsbetrachtet ist. Es geht vielmehr darum, die zukünftigen Risk Changer zu kennen
und für sein Unternehmen die jeweils möglichen Konsequenzen auszuarbeiten und sich darauf vorzubereiten
– ein zukunftsgerichtetes Risikomanagement 4.0, wenn man so will.
Ein Partner, der sich daher nicht nur auf den Risikotransfer fokussiert, sondern auch als Risikoberater, Signalgeber und Know-how-Pool zur Seite steht, kann für Industrieunternehmen einen echten Mehrwert bieten, um die Zukunft auch in einer immer komplexeren, vernetzten und schnelllebigen Welt erfolgreich zu gestalten.

Andreas Schmitt
Vorstand Risiko- und Versicherungstechnik
T +43 664 962 40 11