Viele Jahre lang war die amerikanische Versicherungswirtschaft defizitär, mit Schadenquoten weit über den Prämien. Doch in den vergangenen sechs Monaten hat sich das Blatt gewendet, weiß einer unserer GrECo nova Partner in den USA, die Lockton Companies Inc., zu berichten.

Der Trend hat sich umgekehrt. Prämiensteigerungen liegen nunmehr über den Schadentrends und viele der großen Versicherer melden Wachstum und eine leicht verbesserte Rentabilität. Treiber dieser Entwicklung war die Wirtschaft, die sich nach dem Höhepunkt der Pandemie wieder erholt hat. Steigende Umsätze und Investitionen spiegelten sich in steigenden Prämien wider. Zudem wurde dieser Trend durch Prämienerhöhungen – das dritte Jahr in Folge – weiter angekurbelt. Diese haben auch die Inflation übertroffen, was zu einer deutlichen Verbesserung der Rentabilitätskennzahlen bei den Versicherern geführt hat. Doch die Branche ist vorsichtig. Der Angriffskrieg in der Ukraine, die Verzerrungen durch die Pandemie und steigende politische Risiken stellen auch ein großes Risiko für das Wachstum und die Vermögenswerte dar. Darüber hinaus gibt es verschiedene andere Faktoren, die den Versicherungssektor negativ beeinflussen können:

  • Katastrophen. Schäden durch Naturkatastrophen und nicht modellierte Gefahren bleiben auf Rekordniveau.
  • Soziale Inflation. Steigende Kosten für Versicherungsansprüche aufgrund zunehmender Rechtsstreitigkeiten, breiterer Haftungsdefinitionen, klägerfreundlicher Gerichtsurteile und höherer Entschädigungssummen durch die Geschworenen.
  • Inflation & Zinsen. Die Inflation im hohen einstelligen Bereich kann beispielsweise auch die Vorteile höherer Selbstbehalte zunichtemachen oder das Pricing bzw. die Reserven für Long Tail-Risiken (= Risiken, die eine mittel- bis langfristige Schadenregulierungsdauer aufweisen) erschweren. Das könnte wieder ein konservatives Underwriting begünstigen. Die Zinssätze bleiben nahe den historischen Tiefständen.

Dennoch kehrt der US-Versicherungsmarkt In den meisten Versicherungssparten – ausgenommen der Cyberversicherung – allmählich zu einem wettbewerbsorientierten Umfeld zurück. Es werden wieder mehr Kapazitäten eingesetzt. Für Unternehmen, die mit aktivem Risikomanagement zur Schadenverhütung beitragen, bieten Versicherer auch wieder mehrjährige Vertragslaufzeiten für Versicherungsprogramme an. Das trägt zur Stabilität und Planbarkeit im Risikotransfer bei.

Die wichtigsten Spartentrends im Überblick

Workers’ Compensation (WC): Trotz sozialer Inflation bleibt die WC für Versicherer ein profitabler Bereich. Die Bedingungen sind im Allgemeinen auch für Versicherungsnehmer günstig. Bislang waren die Auswirkungen der Pandemie insgesamt überschaubar. Die “neue Normalität” für viele Arbeitgeber beinhaltet Modelle für Tele- und Hybridarbeit. Langfristig wird Gegenwind durch die Zunahme von “Mega”-Schäden und die Alterung der Arbeitnehmer erwartet.

General Liability (GL)/Product Liability: In Primary-Haftpflichtprogrammen steigen die Prämien derzeit moderater als in Layer-/Excess Verträgen. Das Ausmaß der Schäden nimmt mehr oder weniger in allen Branchen zu. Selektives Underwriting und eine umfassende Risikoprüfung wird
weiterhin erfolgen, auch angefeuert durch die steigenden Schadenzahlungen, die durch den Abbau von Rückständen gerichtsanhängiger Fälle (als Folge der Lockdowns 2020) entstehen. Außerdem werden Deckungsausschlüsse von übertragbaren Krankheiten, sexuellem Fehlverhalten und
von PFAS (Per- und Polyfluorierte Alkylverbindungen) mehr und mehr in GL-Polizzen aufgenommen.

Property & Business Interruption: Hier hat sich die Preisdynamik in den letzten Quartalen verlangsamt. Die bestehenden Deckungsmärkte matchen sich mit neuen Marktteilnehmern um Marktanteile, das kurbelt den Wettbewerb etwas an. Dennoch sind die Versicherer angesichts
schwacher Anlagerenditen, hoher Schadenlasten und des Drucks von Rückversicherern auf Prämienraten weiterhin diszipliniert und auf die Kapitalrendite konzentriert. Es wird erwartet, dass qualitativ hochwertige Risiken bei der kommenden Verlängerung mit moderaten Steigerungen
im Pricing rechnen können. Allerdings wirken sich die Supply Chain-Themen auch auf den Versicherungseinkauf aus. Es ist schwierig, lange Haftungszeiten für Betriebsunterbrechungsrisiken
zu erhalten. Naturkatastrophen – und nun die Inflation auf historischem Höchststand – werden
die Bewertungen der Property Underwriter weiterhin beeinflussen. Einige Versicherer begrenzen ihr Risiko durch Vereinbarungen von Höchstentschädigungen oder maßgeblichen Eigenbehalten. Risikoqualität und Risikomarketing sowie Investitionen in Schadenprävention sind von zentraler Bedeutung für den Einkauf von Sach- und Betriebsunterbrechungsversicherungen.
 
Directors & Officers Liability (D&O): Nach mehr als drei Jahren erheblicher Prämienerhöhungen sind die Preissteigerungen in der D&O nun auf einem moderaten Level angekommen. Erhöhungen im einstelligen Bereich sind üblich. Unternehmen mit stabiler Marktkapitalisierung erzielen bei der Erneuerung günstigere Ergebnisse, wobei einige Branchen wie etwa Biowissenschaften und Technologie eine größere Herausforderung darstellen.
 
Cyber: In der Cyberversicherung sind wir nach wie vor in einer Hard Market-Phase. Dieser Trend wird wahrscheinlich noch länger anhalten. Das Underwriting allein durch Risikoangaben in Fragebögen reicht bei größeren Risiken nicht mehr aus, vielmehr erfolgen vermehrt Risk Assessments, bei denen das Risikomanagement auf den Prüfstand gestellt wird. Während Ransomware nach wie vor die Hauptsorge der Versicherer ist, stellt die mögliche Betriebsunterbrechung infolge von Cybervorfällen eine relativ neue Bedrohung dar. Versicherer versuchen, ihre Exponierung gegenüber systemischen Cyber-Risiken zu begrenzen, beispielsweise durch eine klare Abgrenzung der Deckungssummen für Schäden, die von IT- und Nicht- IT-Anbietern ausgehen.

Die Versicherer fürchten künftige Cyber-Vorfälle im Soge des Russland-Ukraine-Konflikts und überprüfen daher ihre Kriegsausschlüsse, um diese zu präzisieren und Hintertürchen zur Deckung zu schließen. Oft sind die Versicherer nicht mehr bereit, sowohl Cyber- als auch Technologieversicherungen (E&O) anzubieten. Dies stellt vor allem jene Unternehmen vor Herausforderungen, die vertraglich verpflichtet sind, Versicherungsschutz in diesem Bereich einzukaufen. Erhebliche Preissteigerungen – oft um 100 % oder mehr – sind nach wie vor die Regel. Das individuelle Ausmaß hängt jedoch von mehreren Faktoren ab, u. a. vom Ergebnis der Risk Assessments und davon, ob eine kontinuierliche Verbesserung bzw. Investition in diesem Bereich feststellbar ist.

10 Erfolgsfaktoren, um die besten Lösungen im US-Versicherungsmarkt zu erzielen

 
1.       Frühzeitiges Starten der Renewal-Prozesse und Beibehalten der Flexibilität im Rahmen der
Marktmöglichkeiten.
2.       Vernetzung mit den wichtigsten Deckungsmärkten, Antizipieren von deren Positionen und offene
Kommunikation.
3.       Sicherstellen, dass die Underwriter verstehen, wie sich das Risikoprofil und die Geschäftstätigkeit des Unternehmens verändert hat und sich aktuell darstellt.
4.       Transparente und möglichst vollständige Aufbereitung von erforderlichen Kennzahlen für den Deckungsmarkt, z. B. detailliertere Angaben zu Umsatz(-Prognosen), (Plan-)Deckungsbeiträgen und
Veränderungen der Versicherungswerte an den Standorten.
5.       Umfassende und nachvollziehbare Submissionunterlagen für die Verhandlungen mit dem Deckungsmarkt.
6.       Risikomanagement und Risikomarketing durch eine umfassende Risikopräsentation und qualitativ hochwertige technische Daten; ein entscheidendes Merkmal, um Risikoappetit und Preisgestaltung bei der Erneuerung direkt zu beeinflussen.
7.       Einsatz von vertikal oder horizontal gesplitteten Programmstrukturen für anspruchsvollere Platzierungen bzw. hohen Limit-Bedarf.
8.       Prüfung der Wirksamkeit alternativer Risikostrukturen, Steuerung über Selbstbehaltsmodelle.
9.       Aktive Steuerung der Programmstrukturen durch Pufferschichten und Mit- bzw. Rückversicherungskapazitäten.
10.    Prüfung potenzieller Synergien im Zusammenhang mit der Platzierung mehrerer Sparten bei
wichtigen Versicherern.

Jonathan Höh

Group Sales & Market Coordination

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