GrECo Group corporate logo
Search
Close this search box.

PFAS nicht versichert: Wenn die Ewigkeitschemikalie zum Haftpflicht-Albtraum wird!

Maria Christina Sorko
Jänner 9, 2024

Industriechemikalien namens PFAS werden derzeit in vielen Bereichen eingesetzt und sind auch aus zahlreichen Alltagsgegenständen nicht wegzudenken – von wasserabweisenden Regenjacken bis hin zu fettabweisenden Pfannen. Doch neben ihren praktischen Eigenschaften stehen manche der künstlich hergestellten Chemikalien auch unter dem Verdacht, gesundheitsschädigend zu sein – was besonders vor dem Hintergrund, dass sich die Stoffe in der Natur nicht natürlich abbauen lassen höchst problematisch ist. Nun plant die EU, die Verwendung der „Ewigkeitschemikalien“ stark einzuschränken oder gar gänzlich zu verbieten, weshalb einige Versicherer PFAS bereits jetzt schon aus Haftpflichtversicherungsverträgen ausschließen. Wir beleuchten die Hintergründe und besprechen, was auf die Industrie zukommt.

PFAS steht für per-und polyflourierte Alkalysubstanzen, die eine Gruppe bestehend aus rund 10.000 chemischen Stoffen bilden. PFAS haben keine natürliche Quelle, sondern werden industriell hergestellt und kommen in zahlreichen Bereichen zum Einsatz: wasserabweisende und atmungsaktive Textilien, Imprägniermittel für verschiedene Oberflächen (Möbel, Textilien, Leder und Teppiche), schmutzabweisendes Papier, antihaftbeschichtetes Geschirr, Wandfarben, Reinigungsmittel sowie Löschschaum zur Brandbekämpfung. Auch in machen Kosmetika und Körperpflegeprodukten werden PFAS verwendet. Da sie unter natürlichen Umweltbedingungen wenn nur langfristig oder überhaupt nicht abbaubar sind, werden PFAS häufig auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet. 

Verdacht auf Gesundheitsschädigung

PFAS gelangen hauptsächlich durch Industrieabwässer und -abluft bei der Produktion von PFAS und Produkten, die PFAS beinhalten, sowie durch die Verwendung von Löschmitteln und Auftragung von PFAS verseuchtem Klärschlamm in Erdreich und Gewässer. Über mit PFAS kontaminierte Nahrungsmittel und Wasser gelangen die Stoffe dann weiter in den menschlichen Körper. Obwohl sie von dort zwar wieder ausgeschieden werden, verbleiben sie insgesamt je nach Stoff vier bis neun Jahre in unseren Körpern. Außerdem gelangen die Chemikalien durch die Ausscheidung erst recht wieder in den Umweltkreislauf. Und trotz ihrer geringen Toxizität, besteht der Verdacht, dass sie in einer Langzeitwirkung krebserregend sein bzw. auch zu anderer gesundheitlicher Beeinträchtigung führen können. Aus diesem Grund wird aktuell überlegt, die Verwendung von PFAS innerhalb der EU – soweit möglich – gänzlich zu verbieten.

PFAS-Ausschlüsse schwappen aus den USA nach Europa

In den USA hat die PFAS-Problematik zu diversen Massenklagen mit Vergleichen in Milliardenhöhe geführt. Nicht zuletzt deshalb wurden in den Haftpflichtbedingungen PFAS-Ausschlüsse eingeführt. Mittlerweile finden diese nun auch ihren Weg nach Europa, wobei die uns bekannten Formulierungen Schäden aufgrund von PFAS generell ausschließen. Zudem ist es für Versicherungsnehmer wahrscheinlich unmöglich festzustellen, ob in der Produktion PFAS verwendet werden, sofern man von jenen Bereichen absieht, in denen PFAS bewusst verwendet werden. Immerhin umfasst die Bezeichnung PFAS rund 10.000 chemische Stoffe . Unabhängig von der Frage der Haftung ist auch zu klären, ob ein PFAS-Ausschluss unmittelbare Wirkung auf die Deckung nach österreichischen Haftpflichtbedingungen hat.

Interpretation für Österreich

Die Konzeption der Bedingungen führt zu einer grundsätzlichen Unterscheidung dahingehend, ob ein Sachschaden (einschließlich des Schadens an Erdreich und Gewässern) oder ein Personenschaden vorliegt.

Sachschaden:

In den österreichischen Bestimmungen ist ein Versicherungsfall als ein plötzliches, vom ordnungsgemäßen Betriebsgeschehen abweichendes Ereignis definiert. Damit sind schon jene Fälle ausgeschlossen, in denen bei einem normalen Produktionsablauf PFAS durch Abluft oder Abwässer in die Umwelt gelangen, und zwar unabhängig von vorhandenen PFAS-Ausschlüssen.

Bei der Verwendung von Löschmitteln oder dem Auftragen von Klärschlamm entsteht der Umweltschaden nicht durch eine einmalige Tätigkeit, sondern dadurch, dass diese immer wieder an der gleichen Stelle eingesetzt werden (z.B. Löschübungen der Feuerwehr) bzw. wiederkehrend aufgetragen wird (Kleckerschäden). Dadurch, dass PFAS nicht abbaubar sind und sich im Erdreich im Laufe der Jahre sammeln, kann ein Umweltschaden auch dann entstehen, wenn die erlaubten Grenzwerte bei der Verwendung von PFAS eingehalten werden. Nach den österreichischen Bedingungen sind Umweltschäden, die nur durch mehrere in der Wirkung gleichartiger Vorfälle entstehen, ausgeschlossen. Es liegt daher nahe, dass dieser Ausschluss bei Verwendung von Löschschaum und Auftragen von Klärschlamm zur Anwendung kommt. Außerdem stellt sich auch die Frage, ob die oben genannten Tätigkeiten nicht auch dem normalen Betriebsgeschehen zuzuordnen sind. Gegenargumente sind vor allem, dass schon die erstmalige Verwendung z.B. bei einer Löschübung zum Schaden geführt hat und damit ein plötzliches Ereignis vorliegt. Die Verwendung von kontaminiertem Material weicht auch vom normalen Betriebsgeschehen ab. Derzeit gibt es dazu noch keine Judikatur, es wird letzendlich vom jeweiligen Einzelfall abhängen, ob eine Deckung für Sachschäden besteht oder die „Kleckerklausel“ zur Anwendung kommt.

Eine weitere Problematik stellt auch die Tatsache dar, dass bei Umweltstörung ein eingeschränktes Manifestationsprinzip gilt. Ein Versicherungsfall ist zwar die erste Feststellung des Umweltschadens – allerdings sind nur Ereignisse versichert, die auf einen Vorfall zurückzuführen sind, der frühestens zwei Jahre vor Abschluss des Versicherungsvertrages eingetreten ist. Diese Frist wird zwar in Einzelfällen verlängert, ein gänzlicher Wegfall wird von den Versicherern allerdings nicht gezeichnet. Für die Diskussion, ob ein Kleckerschaden oder ein einzelner plötzlicher Vorfall zum Umweltschaden geführt hat, ist Voraussetzung, dass dieser Vorfall während des aufrechten Versicherungsschutzes oder in der vereinbarten Vordeckungszeit eingetreten ist. Aus den bisher bekannten Umweltschäden ist jedenfalls abzuleiten, dass sie entweder durch Abwässer und Abluft in der Produktion bzw. auf regelmäßige Tätigkeiten, die erstmalig vor Jahrzenten begonnen wurden, verursacht wurden. Durch die zeitliche Einschränkung entfällt damit die Deckung.

Personenschaden:

Gänzlich anders sind die Bedingungen in Bezug auf Personenschäden. Da bieten die österreichischen Bedingungen auch Deckung für Schadenersatzansprüche, die sich aus dem Normalbetrieb ergeben.  Ein PFAS-Ausschluss hat damit – im Gegensatz zu Sachschäden – eine gewisse Relevanz. Es ist auch in unserer Rechtsordnung verankert, dass Ansprüche aus Personenschäden aufgrund von PFAS gestellt werden. Da der PFAS-Ausschluss absolut wirkt, wäre bei Vorhandensein eines solchen auch keine Abwehrdeckung gegeben.

Umgang mit Verunreinigungen

Im Report des Umweltbundesamtes aus 2022 sind zwei Vorfälle in Österreich angeführt – einer in Kärnten, der zweite im Bereich des Flughafens Salzburg.  Wikipedia listet zwei weitere Fälle in Oberösterreich und der Steiermark, die offensichtlich erst nach Fertigstellung des Reports entdeckt wurden.  In allen Fällen wurde als Ursache regelmäßige Löschübungen der Feuerwehr festgestellt.

In Deutschland werden Untersuchungen derzeit anlassfallbezogen durchgeführt. So bieten etwa die Stadtwerke Rastatt auf ihrer Homepage eine detaillierte Übersicht der bis September 2022 endeckten Umweltschäden, die bisher 187 Verunreinigungen umfasst. Bei 123 davon ist der Verursacher unbekannt oder kann nur vermutet werden. Neben wenigen Industriebetrieben sind die Verunreinigungen aber hauptsächlich in der Nähe von (ehemaligen) Militärgeländen und Flughäfen zu finden. Somit liegt auch hier die Vermutung nahe, dass die Verunreinigungen in den meisten Fällen durch Löschübungen verursacht wurden.

Status Quo in Europa

In Europa befinden sich derzeit 20 Produktionsstandorte für PFAS und 232 Unternehmen verwenden PFAS zur Produktion von „high performance“ Kunstoffen, Farben, Lacken, Pestiziden, wasserdichten Textilien, anderen Chemikalien usw. Von insgesamt 17.000 verzeichneten mit PFAS verunreinigte Stellen sind 2.100 davon sogenannte „Hotspots“, bei denen die Konzentration von PFAS in Wasser und Erdreich bereits gesundheitsgefährdende Ausmaße angenommen hat.

Die Seite „Forever Pollution“ bietet einen sehr guten Überblick über die derzeitige Situation in Europa.

Zusammenfassung

Wie sich zeigt, ist das Thema PFAS sehr komplex. Während eine Gesetzgebung der Europäischen Union noch abzuwarten ist, finden sich online zu PFAS eine Unzahl von Artikel etwa hier oder hier.

Klar ist, dass sich immer mehr Versicherungsunternehmen oftmals unwillig zeigen, potenzielle Haftungsansprüche in Bezug auf PFAS-Chemikalien abzudecken und die Industrie darauf verärgert reagiert. Dabei spiegelt die Zurückhaltung der Versicherungsbranche das zunehmende Bewusstsein für die mit diesen Stoffen verbundenen Umwelt- und Gesundheitsrisiken wider. Dieser Trend ist bezeichnend für die umfassenderen Bemühungen, die Auswirkungen von PFAS auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu mindern. Wie sich diese Thematik durch EU-Regulatorien auf Versicherer und schlussendlich auf die Industrie auswirken wird, bleibt abzuwarten.

Thomas Herndlhofer

Practice Leader Liability

T +43 664 822 20 59